So wundervoll verrückt

 

Wir wollten uns ein Leben lang halten.
Doch besitzen wir uns nicht.
Aber es trennt uns auch nichts.
Zwischen uns ist ein Seil gespannt,
worauf wir kunstvoll Stücke vollführen,
unter uns ein Netz, welches uns vielleicht auffängt.
Dann gibt es die heiligen Augenblicke,
in denen wir uns ohne Worte alles zu sagen wagen.
Unsere Sinne sind die besten Botschafter.
Ein Spüren mit hellen Wellen ist da.
Unsere Blicke zueinander erhoffen sich eine sachte Umarmung.
Indem wir Abstand halten, entsteht ein wunderbares Kunstwerk,
ein Kunstwerk in Formen und Farben gebracht,
in Kraft und Schwäche, in Leid und Freude.
Sorgfältig hüten wir es in unseren Gedanken.
Uns wird deutlich, das unsere Liebe nun eine
andere Bedeutung hat, als vor Jahren.
Nun dürfen unsere Worte auch einmal Fäuste sein,
ohne sich dabei zu verletzen.
Wir erlauben uns, Spuren zu hinterlassen
und nehmen sie wie ein Indianer in der Steppe in Augenschein,
um sie deuten zu können, bevor sie uns der Wind verweht.
Unsere Liebe schätzen wir im Loslassen und im Geben.
Es ist kein Fehler, sich manchmal dabei zu verlieren,
weil das Wiederfinden so wundervoll verrückt sein kann.


Brigitte Zehmisch