Im Land der Waldgeister

Weit, sehr weit von uns entfernt liegt dieses Land, dieser Grund, in dem noch Feen, Waldgeister und Wolkengeister ihr Zuhause haben sollen.

Eine vom Alter her sehr gezeichnete, fremde Frau erzählte mir davon in meinem Traum. Gespannt lauschte ich ihrer Erzählung. Da saß sie mir nun gegenüber, angelehnt an diesen Stuhl, mit rotem Samt bespannter, gepolsterter Sitzfläche. Ein leichtes Lächeln zeigte sich mir in ihrem tief geprägten, faltigen Gesicht. Ihre Augen strahlten soviel Wärme aus, dass ich meinte, sie in diesem Traum gespürt zu haben.
Wundersame Worte in einer sachten Art und Weise fasste sie zu Sätzen zusammen, sodass es mir schwerfiel, ihr Glauben schenken zu können. Doch immer wieder faszinierte mich der Glanz in ihren Augen, und ich fügte mich, ihrer Erzählung zuzuhören.

Ein Schleier umgab mich, sacht schmiegte er sich an meinen Körper an. Umhüllt, schwebend fühlte ich mich getragen von den Worten der alten Frau, welche mir zu verstehen gab, dass es dieses Land noch gäbe. Und da, plötzlich sah ich es, erst ganz schwach, milchig-grau mit leichten Umrissen. Feenartige Schweife tanzten in der Luft. Sie schienen näher zu kommen und verschwanden aber auch immer wieder im Wechsel ihres Tuns. Große und kleine schattige Wesen entpuppten sich als uralte Bäume und Farne, welche sich wahrlich miteinander unterhielten, sich streichelten und beschenkten. Neben und unter ihnen im Grunde des grünen Mooses hatten es sich kleine Familien mit roten Kappen, deren Mitglieder nur auf einem Bein standen, recht gemütlich gemacht. Auf ihnen tänzelten zum Teil kleine Mücken und Käfer nach der Musik des Konzertes des Waldes. Ab und zu bewegten sich die kleinen Hügel im Moos und mit Erstaunen stellte ich ein emsiges Treiben unter ihnen fest, wenn einige von diesen Hügeln mit der unteren Erdmasse ausgehoben wurden. Waren das etwa diese kleinen Waldgeister, die sich dort regten, worüber die alte Frau sprach?

Mochte sein, sprach sie doch ebenso noch von vielen anderen wundersamen Dingen und Begebenheiten: Von unterirdischen Schlössern, die keiner zu betreten wagte, aber auch von Schlössern, welche sich des Hauptes aufwärts zum Himmel richteten. In diesen Schlössern würden all die Waldgeister leben, beschützt von den Waldfeen und Wolkengeistern, die sie vor langer, langer Zeit gesehen hatte.

Ein Zauber solle über ihnen liegen, ein Zauber von Menschenhand gemacht, welcher die Waldgeister schwer belastete. Ab und an sollen sich jedoch mutige Waldgeister auch mal gezeigt haben und ihr Treiben im Walde kundgetan haben, aber schnell hatten sie sich entschlossen, sich wieder unter den Schutz ihrer Feen und Wolkengeister in ihr Schloss zu begeben.

In Traurigkeit verfallen, erzählte mir die alte Frau, wenn nicht bald dieser Zauber verschwände, würde es keine Welt der Feen, Waldgeister und Wolkengeister mehr geben. Aber im Glauben, dass sich alles zum Guten wendete, berichtete sie mir weiter von diesem Wunderland, als alles noch in Ordnung war.

„Ach, diese Waldgeister, diese kleinen Wesen haben ihr Herz auf dem richtigen Fleck,“ sprach sie.
In einer Schönheit seien sie anzusehen, ihre Bekleidung solle mit Farben eingefärbt sein, welche wir so wohl noch nicht zu Gesicht bekommen hätten. Oft würden sie ihre Kleider wechseln im Rhythmus der Jahreszeiten und sich darauf besinnen, was in diesen Zeiten von Nöten sei. Dann würden sie mit all ihren Werkzeugen und ihrem Wissensbestand zügig anfangen zu werkeln, um ihre Welt, in der sie leben, recht und gut in Stand halten zu können.

Düfte würden entstehen, Früchte und Kräuter, die schon lange in ihrer Vielfältigkeit in der jetzigen Menschenwelt nicht mehr vorhanden seien. Nun, aber für sie seien sie noch ausreichend da und auch noch so reichlich, dass sie am Ende ihres Werkelns ein riesiges Gabenfest gemeinsam mit uns Menschen feiern könnten, ein Fest im Einklang mit der Natur und mit all dem Reichtum ihres Urwissens.

„Gern wäre ich wieder einmal mit dabei,“ kam sacht von der alten Dame zum Ausdruck. Und vor allem würde sie mich mitnehmen wollen, um die Samen, welche wir von den Waldgeistern erhalten würden, in unsere Menschenerde setzen zu können.

Möge es nicht nur ein Traum bleiben.