Die Reise des kleinen Sternes

 

Viele kleine, goldene Sterne leuchten gerade in den Dezembernächten besonders hell. An was mag das wohl liegen?
Ist es, weil gerade in diesen Nächten ein besonderes Augenmerk darauf gelegt wird? Oder sind es die Gefühle, die Sehnsucht nach Licht und Wärme? Sicherlich: An irgendetwas liegt es wohl, vielleicht sogar an allem.
Ich genieße es einfach, diesen Blick zum Himmel aus dem Fenster meines Zimmers. In Gedanken bin ich, im Hintergrund höre ich das leise Knistern des Kaminfeuers. Eine wohlige Wärme umgibt mich. Dezembernacht, wie bist du schön. Überhaupt finde ich, gehört diese Zeit im Dezember mit zu den schönsten im Jahr. Für mich ist dieser Monat der Monat des Lichtes, hell leuchtend und Wärme bringend. Wohl wissend, dass es nicht für jeden so ist. Ich wünschte, es wäre Licht und Frieden überall.

 

Plötzlich entdecke ich unter all den vielen leuchtenden Sternen einen ganz klitzekleinen Stern, welcher aufgeregt hin und her flackert. Mir ist so, als würden die größeren Sterne in ihrer Ruhe des Leuchtens den kleinen darauf aufmerksam machen wollen, welche Aufgaben er zu erfüllen hätte. Nämlich seine Kräfte zu schonen, um immer lichtvoll zu leuchten. Aber wie es doch so ist, steckt in allen kleinen Wesen auf dieser Welt soviel Elan, Neugierde und Kraft, dass es schwer ist, sie zu bändigen. So schien es auch bei diesem kleinen Stern zu sein. Er wollte ausbrechen, auf Entdeckungsreise gehen und viel Licht verschenken. Dass er aber dazu viel Ruhe brauchte, kam ihn nicht in den Sinn. Immer wieder flackerte er auf. Dauernd wechselte er sein Licht von der Farbe goldgelb zu orangerot, dabei bemerkte er nicht, wie viel Kraft ihm verloren ging.
Alle Sterne um ihn herum versuchten, ihn zu zügeln, aber er ließ sich nicht bremsen. Nach kurzen Verschnaufpausen begann er von Neuem. Schließlich gaben die ruhigen Sterne auf, ihn in die richtige Bahn zu weisen. Nun lassen wir ihn doch, sagten sich die Sterne, die ihn beschützen wollten. Sie ließen ihn los und schickten ihn mit all ihrer Liebe dorthin, wo dieser kleine Stern sich hinbegeben wollte: Auf die Erde.

 

Oh, wie sehnte er sich danach, endlich diese Reise antreten zu können, um Glück, Freude, Licht und Frieden zu verschenken. Er leuchtete viele Male überschwänglich auf und musste Acht geben, sich nicht zu überwerfen. Endlich auf der Erde angekommen, purzelte er erschöpft ins Gras und versuchte, sich aufzurichten. Aber so einfach war es nicht, immer wieder eckte er an. Einmal war es ein störrischer Grashalm, einmal ein Ast von einem Apfelbaum, ein Stein und noch viele andere Dinge.
Er purzelte und purzelte, und am schlimmsten war es, dass seine Leuchtkraft nachließ, weil der Tag anbrach. Was soll ich hier, wenn der Tag anbricht, fragte er sich traurig. Da kann ich mich ja noch so anstrengen, um zu leuchten. Keiner sieht mich, keiner braucht mich, ich will doch Licht und Wärme verschenken. Ja, der kleine Stern wusste noch nicht, das sein Licht sich nicht mit dem Tageslicht verträgt. Genauso wenig wusste er, das die Nacht sein bester Freund ist.

 

 

 

Kraftlos auf ein Wunder wartend lag er da nun auf dem Boden und schaute zum Himmel aufwärts. Kalt war es und ein kühler Wind wehte dem Stern um die Sternspitzen. Keine Wärme – wie auch? Es war Dezember. Der kühle Wind verstärkte sich, graue Wolken verwandelten das Himmelszelt in eine immer dunkler werdende Welt. Die kahlen Äste an den Bäumen wiegten sich hin und her. Ab und zu setzte sich ein Vöglein darauf und hatte Mühe, die Waage zu halten. Dem kleinem Stern ging es überhaupt nicht gut. Große Schneeflocken fielen herab.
Da entdeckte er ein Vöglein auf einem Ast des Apfelbaumes und bat um Hilfe. Bitte, kleiner Vogel, decke mich mit deinen Flügeln zu und beschütze mich. Zum Dank schenke ich dir Licht und Wärme. Das Vöglein setzte sich auf den Stern und legte schützend die Flügel über ihn. Ab und zu flog es davon, um vom naheliegendem Feld Strohhalme zu sammeln. Damit bettete es das Sternlein ein. Dankend nahm das Sternlein diese Hilfe an.
Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu. So hatte es sich der kleine Stern auf der Erde nicht vorgestellt, wollte er sich doch zwischen die vielen Menschenherzen mischen, um dort Gutes zu vollbringen, sein Licht zu verschenken. Nun hatte ihn doch die Kälte auf der Erde eines Besseren belehrt. Aber der kleine Stern nahm all seine Kräfte zusammen und hob sie sich bis zur Nacht auf. Da begann er wieder zu leuchten, setzte sich auf die Flügel des Vogels und ließ sich in seinen Sternenhimmel tragen. Wie einfach war es doch von dort oben aus, die ganze Kraft in Ruhe und Geborgenheit, im Kreise seiner Familie zu verschenken. Ganz besonders hell leuchtet er in der Dezembernacht, wenn auf Erden die Geburt des Christkindes gefeiert wird.